Ganz schön eng hier

08.2002
PS - das Sportmagazin

Jürgen Oelschläger heulte vor Freude in seinen Helm, trocknete die Tränen und umarmte Tuner Thomas Franz. Schon als kleiner Bub' hab' ich davon geträumt, einmal in Salzburg zu gewinnen, stammelte der Oberbayer. 10 Kilometer entfernt wohnt der Lokalmatador, in Salzburg wurde er mit dem Rennbazillus infiziert.

Ein schöneres Geschenk hätte er sich und seinen Chefs Sepp Hoffmann und Sepp Meier vom Alpha- Technik-Flonda-Team kaum machen können. Im Fahrerlager hatten die bayerischen Motorradhändler groß aufgetischt, um das zehnjährige Firmenjubiläum zu feiern.

Tuner Thomas Franz, der kleine, listige Schwarzwälder, früher selbst erfolgreicher Superbiker, hatte angekündigt: Für Salzburg baue ich dem Jürgen eine richtige Granate. An der verzweifelte die Konkurrenz. Man munkelt von 140 PS, und auf dem Datarecording stand eine stolze Topspeed-Marke: 272 km/h ohne und 278 km/h mit Windschatten. Zum Vergleich: PS-Messungen bei der WM 1995 ergaben Werte im gleichen Bereich für die Superbikes.

Michael Schulten musste nach einem sehenswerten Dreikampf erstmals den Sieg abgeben, sein Dauer-Rivale Herbert Kaufmann hatte ihm sogar noch den zweiten Platz weggeschnappt.

Dabei gilt auf der Salzburger Highspeed-Strecke ein altes Gesetz: Wer im Pulk als Erster in die letzte Runde geht, verliert. Der Öli hat einen ungeheuren Speed auf die lange Gerade mitgenommen und dann geschickt die Tür zugemacht. Kaufmann und ich konnten nicht aus dem Windschatten heraus angreifen, wunderte sich Meister Schulten.

Zu Beginn des Supersport-Rennens lief alles schief, was schief gehen konnte. Nach dem Start torpedierte Kawasaki-Pilot Roman Stamm Stefan Nebels Suzuki in der Schikane und löste einen Massencrash aus. Nebel rettete sich mit deformierter GSX-R 600 an die Box, ließ in Rekordtempo Verkleidungsteile sowie Auspuff wechseln und galoppierte nach dem Re-Start wenigstens noch als Sechster hinter Rico Penzkofer auf Ducati und Gaststarter Christian Zaiser auf seiner WM- erprobten OPCM-Yamaha ins Ziel.

Beim zweiten Start griff Oel- schläger, der gewöhnlich mit Blitzstarts glänzt, voll daneben. Aus der ersten Runde tauchte er auf Platz acht auf und pflügte dann durchs Feld. Mit seinem ersten Saisonsieg und dem ersten Sieg für Honda schob er sich auf den zweiten Tabellenplatz, 29 Punkte hinter Schulten.

Musste der Champion angesichts der enormen Leistungsdichte in der Supersport-Klasse Platz drei als durchaus vertretbar akzeptieren, kam es im Superstock-Rennen knüppeldick. Machtlos, teilweise außerhalb der Punkte fahrend, musste der Klassen-Primus aus der Tiefe des Mittelfelds mit ansehen, wie sich ganz vorn sein direkter Konkurrent Stefan Nebel, dessen Suzuki-Schäfer-Teamkollege Herbert Kaufmann sowie die weiteren GSX-R-1000-Treiber Stefan Scheschowitsch und Stefan Sebrich um die Spitze balgten. Nebel, wie Schulten regelmäßiger Doppelstarter in der Supersport- und Superstock-Klasse, setzte sich schließlich mit hauchdünnem Vorsprung vor Superstock-Gaststarter Kaufmann durch. Scheschowitsch profitierte kurz vor Rennende von einem Patzer seines Teamgefährten Sebrich und festigte seinen dritten Tabellenplatz hinter Nebel, der jetzt knapp hinter Schulten liegt.

Schulten, in beiden Viertakt-Klassen inoffizieller Halbzeit-Meister...