Lust an der Freiheit

Montag, 03.12.2007
Der Spiegel

Noch nie gründeten so viele Frauen ihr eigenes Unternehmen wie heute. Sie wollen Familie und Beruf miteinander vereinbaren und sich Karrierechancen nicht verbauen lassen.

Die Chefattitüde beherrscht Karin Hüttmeyer inzwischen schon ganz gut. Es ist Dienstagnachmittag, und Hüttmeyer hat zum Teammeeting in den Besprechungsraum ihres kleinen Dachgeschossbüros gebeten. Anregungen dürfen geäußert und Vorschläge gemacht werden. Doch so richtig dringen Hüttmeyers Mitarbeiterinnen mit ihren Anliegen nicht durch.

Den Wunsch einer Kollegin nach einem schlichten Tischkalender weist die Jungunternehmerin barsch zurück. Nix da“, sagt Hüttmeyer. Ich will, dass ihr eure Termine in den Computer eintragt, damit alle den Überblick haben.“ Auch die Bitte einer Kollegin nach Ausbezahlung von Überstunden wird nicht erfüllt. Sie könne die Mehrarbeit gern in Freizeit umwandeln, aber Geld gebe es nicht. Dem traurigen Blick der Kollegin begegnet Hüttmeyer mit einem resoluten: Das ist so.“

Vor zwei Jahren gründete die 41-Jährige aus Buxtehude mit dem Weiterbildungsinstitut für Medizinberufe“ ihr eigenes Unternehmen. Die Ingenieurin für Medizintechnik arbeitete zuvor jahrelang beim Branchenriesen General Electric (GE) im Vertrieb. Sie war in der Firmenhierarchie schon relativ weit nach oben gekommen und verdiente zuletzt fast 90 000 Euro im Jahr. Doch sie wähnte sich in einer Sackgasse. Ich merkte, dass ich als Angestellte immer weniger meinen persönlichen Stil verwirklichen konnte, gleichzeitig aber immer mehr Druck von oben bekam“, sagt Hüttmeyer.

Jetzt macht sie im Prinzip das Gleiche wie früher bei GE: Bundesweit schult sie Ärzte, Händler oder Hersteller im Umgang mit hochkomplexen medizinischen Geräten, vor allem Ultraschallanlagen - aber jetzt auf eigene Rechnung. Mittlerweile reicht ihr Gewinn schon an ihren früheren Verdienst heran. Vier Mitarbeiterinnen beschäftigt sie inzwischen, im kommenden Jahr will sie einen Auszubildenden einstellen.

Hüttmeyer hat ganz offensichtlich Erfolg und daher Spaß an der Chefinnenrolle - so wie Hunderttausende ihrer Geschlechtsgenossinnen. Noch nie haben in Deutschland so viele Frauen den Sprung in die Selbständigkeit gewagt wie gegenwärtig. Mehr als 1,4 Millionen Frauen arbeiten in der Bundesrepublik auf eigene Rechnung- und keinesfalls nur in Branchen, die eher als frauenspezifisch“ gelten.

Natürlich gibt es Blumenlädchen, Kosmetik- oder Sonnenstudios, die von Frauen betrieben werden. Doch die Zahl derer, die sich auch in klassischen Männerbranchen tummeln, wächst kontinuierlich. So registrierten die Experten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) bei ihrem, jüngsten Beratungstag zur Gründung von Hightech-Unternehmen mehr als ein Viertel Frauen unter den 1500 Interessenten - mehr als je zuvor.

Sie sind längst keine Vorreiterinnen mehr in einer von Männern dominierten Wirtschaftswelt“, erklärt die nordrheinwestfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU), Unternehmerinnen in Deutschland sind eine feste volkswirtschaftliche Größe.“

Allein die Zahl jener Frauen, die ein eigenes Unternehmen im Haupterwerb betrieben, lag 2005 um 12,6 Prozent höher als noch vor sieben Jahren. Bei den Männern waren es im gleichen Zeitraum nur 7,2 Prozent mehr. Noch signifikanter ist der Zuwachs im sogenannten Zu- und Nebenerwerb - also der Selbständigkeit, die nicht die einzige Quelle für den Lebensunterhalt ist. Diese Frauen sind eigentlich angestellt und wollen sich in Eigenregie