Ein Sieg der Moral

2000
Supermoto

Ein Sieg der Moral

Als die Strapazen der 24 Stunden von Oschersleben überstanden waren, hatten nicht nur die Sieger allen Grund zum Jubeln. Während die französischen Kawasaki-Piloten Christophe Guyot, Sebastian Scarnato und Nicolas Dussauge ausgelassen ihren ersten Erfolg in der Langstrecken-Weltmeisterschaft feierten, war auch in der Box 18 die Stimmung gut.

Und das, obwohl das Düsseldorfer Pro Bike MRS Team 97 erst auf der zweiten Seite der offiziellen Ergebnisliste auftauchte - an 39. Stelle und unter der Rubrik not classified, weil die jungen Biker Rainer Hoffmann und Frank Pennigsfeld mit ihrem Schweizer Teamkollegen Manfred Böschung nicht die für eine Wertung erforderlichen 75 Prozent der Runden der Sieger gefahren waren.

Für Rainer Hoffmann war das allerdings kein Beinbruch. Dass wir dieses schwere Rennen trotz viel Pech und langer Reparaturzeiten überhaupt zu Ende fahren konnten, meinte er, ist für uns schon ein großer Erfolg.

Es ist Samstag gegen 14.30 Uhr, als auf der Start-Zielgeraden eine Stunt-Show die Zuschauer in Stimmung bringt. Die Tribüne ist proppenvoll. Im Fahrerlager herrscht die ganz normale Hektik. Die Nervosität ist groß, auch bei Rainer Hoffmann und seinem Team. Kein Wunder - für die Düsseldorfer mit ihrer Triumph TT 600 mit der Startnummer 97 ist es der erste Start in der Langstrecken-Weltmeisterschaft.

Die Außenseiter tun sich denn auch schwer im Feld der 56 Starter. Nach einer Stunde liegen sie auf dem 53. Platz - elf Runden hinter den Spitzenreitern. Eine Überraschung ist das nicht. Wir wissen, dass wir vermutlich den schwächsten Motor haben, sagt Teamchef Christoph Baranowski. Wir sind froh, dass wir uns überhaupt für das Rennen qualifizieren konnten.

Fast genau eine Stunde nach dem Start schlägt die Defekt-Hexe zu. In der Nordkurve will die Triumph TT 600 nicht mehr weiter. Auf dem Gras schiebt sie Rainer Hoffmann die Piste entlang zur Box. Die Mechaniker machen lange Gesichter. Als wir uns das Motorrad angeschaut haben, waren wir ziemlich fertig mit der Welt, erzählt Christoph Baranowski.

Der Zylinder, die Laufbauchsen sowie Kolben und Pleuel des ersten Zylinders waren kaputt. Wir haben uns ernsthaft überlegt, ob wir überhaupt mit der Reparatur beginnen sollen.

Doch in der Box 18 krempelt man die Ärmel hoch und macht sich an die Arbeit. Rainer Hoffmann, der eigentlich nur fahren sollte, unterstützt die Mechaniker. Trotzdem dauert die Reparatur eine Ewigkeit.

Auf der Piste trennt sich unterdessen die Spreu vom Weizen. Nur noch die späteren Sieger sowie Stephane Mertens (Belgien), Peter Linden (Schweden) und der Australier War-wick Nowland fahren in einer Runde.

Es sind Stunden vergangen, als man in der Box 18 langsam Licht am Ende des Tunnels sieht. Der erste Zylinder ist repariert. Doch als die Maschine gestartet wird, treiben eigenartige Geräusche den Mechanikern neue Sorgenfalten auf die Stirn. Die Kompression im vierten Zylinder stimmt nicht. Der Traum vom sofortigen Start ist geplatzt - es wird weiter repariert.

Inzwischen ist es längst dunkel geworden. Nur noch wenige Fans verfolgen das Rennen, weil man auf der Piste außer Scheinwerfern und Rücklichtern nicht mehr viel sieht. Dafür sorgt Live-Musik im Fahrerlager für Unterhaltung.

Es ist 23 Uhr, als die Triumph TT 600 aus der Box 18 endlich wieder auf die Strecke geht. Von da an läuft sie ohne Probleme. Nur einmal muss das Team noch basteln, als das Auslassventil am vierten Zylinder defekt ist. Kurz nach 15 Uhr am Sonntag sind die 24 Stunden von Oschersleben zu Ende.

Unsere größte Motivation war, bei unserem ersten 24-Stunden-Rennen ins Ziel zu kommen, deshalb haben wir nie an eine Aufgabe gedacht, sagt Teamchef Christoph Baranowksi, als alles überstanden ist und die Anspannung langsam abfällt. Das Training und die Arbeit am Motorrad haben uns regelrecht süchtig gemacht. Darum sind wir weiter gefahren, obwohl wir keine Chance mehr auf einen der vorderen Plätze hatten.

Als die Sieger der 24 Stunden von Oschersleben wurden andere gefeiert. Trotz alledem hat auch das Team der Neulinge mit Rainer Hoffmann und Co. gewonnen. Es war ein Sieg der Sportlichkeit und der Moral.